Also die Akten an
diesem ersten Arbeitstag nach dem Urlaub. Jede Menge davon sogar. Irgendwer hat
aus ihnen einen hübschen Turm in meinem Posteingang gebaut, der
zugegebenermaßen ein wenig von der Wand gestützt werden muss. Aber das ist ja
wohl auch der Grund, weshalb der Aktenbock nicht mitten im luftleeren Raum
steht.
Wie eigentlich immer
bin ich so früh da, dass ich den An- und Abtransport der Akten durch die
Wachtmeister miterleben darf. Jedesmal im übrigen ein erhebendes Ereignis, ein bisschen
wie Weihnachten, man weiß nie so genau, was und wie viel man bekommt…Heute kann
ich zudem beobachten, wie hinter der professionellen Aktenverteilerin ein
junges Mädchen hertrabt, das offenbar als Aushilfe in die neuen Aufgaben
eingewiesen werden soll. Ich verspüre sofort einen Anflug von Nostalgie, hatte
ich vor etlichen Jahren doch auch mal so einen Job, aber das wäre schon beinahe
wieder Stoff für eine eigene Geschichte…jedenfalls gehen die beiden erst in das
Zimmer meiner Kollegin gegenüber, um dann bei mir hereinzukommen. Die
Wachtmeisterin wünscht mir einen guten Morgen, was ich selbstverständlich
erwidere. Das junge Mädchen sieht sie erstaunt an: „Ach, hier muss ich auch
rein?“
„Nein, lassen Sie
ruhig,“ schalte ich mich grinsend ein. „Und bringen Sie mir vor allem keine
Akten!“
Ich ernte einen
verständnislosen Blick und kichere noch ein wenig in mich hinein, während die
beiden mit einem Stapel Akten verschwinden.
Selbstverständlich
folgt die Strafe auf dem Fuß, und mein Computer schmiert erst einmal ab. Ja,
ja, hab ich ja verdient…
Ich checke etliche
unfassbar wichtige Emails, telefoniere ein wenig herum, vor allem um sich
überschneidende Termine verlegen zu lassen und produziere natürlich in erster Linie
einen großen Stapel in meinem Ausgangsfach. Dann fällt mein Blick auf den
Sitzungsplan für nächste Woche, und ich stelle fest, dass ich an drei Tagen bei
Gericht sein werde, an zweien davon weit weg. Fast zeitgleich ruft mich die Gerichtsterminverteilerin
an und möchte wissen, ob ich wirklich so viele Sitzungen wahrnehmen will. Ach, man kann sich das neuerdings aussuchen? Wieso sagt mir das denn niemand? Ich
mache sie darauf aufmerksam, dass es sich um meinen eigenen Sachen handelt und
ich daher wohl kaum eine Wahl habe. Sieht sie dann auch ein.
Es ist übrigens
immer noch ziemlich warm, und ich bin mittags trotzdem so verrückt, mir einen
heißen Latte macchiato zu holen. Aber nach drei Wochen ohne habe ich schon
leichten Entzug…dann sitze ich leise vor mich hinköchelnd in meinem Büro und
warte darauf, mir durch die Heimfahrt auf dem Fahrrad ein wenig Kühlung durch
den Fahrtwind verschaffen zu können…äh…bearbeite hochkonzentriert und mit intellektueller
Scharfsinnigkeit etliche weitere Akten…