Mittwoch, 26. März 2014

Alle Spinner zu mir - Teil 2

Ich habe beschlossen, meine Praktikantin einfach bei mir zu behalten und nicht nächste Woche wieder an die Uni zu entlassen. Nachdem ich hier zwei Monate quasi nichts anderes als Akten zu sehen bekommen habe, gibt es Trubel, seit sie da ist. Davon mal abgesehen, daß sie eine reizende junge Dame ist. Leider ist ihre Zeit bei mir nächste Woche schon wieder um, und ich fürchte insgeheim, daß ich dann wieder in der Langeweile versinken darf.

Weiter ging es also heute an diesem wunderbaren Morgen...auf dem Plan steht wieder einmal "mein" Vielleicht-noch-Steuerberater. Zur einfacheren Erledigung der Sache hatten wir ihm während der Verhandlungspause der letzten zwei Wochen angeboten, das Verfahren einzustellen. Die Steuerschuld war eh nur sehr gering. Und so richtig durchblicken tut er das Ganze ja offenbar nicht.

Aber weit gefehlt, das lehnt er ab. Und er lehnt noch mehr ab, nämlich mich wegen angeblicher Befangenheit, wie mir der Richter heute morgen kurz vor der Verhandlung mitteilt. Meine Premiere! War ich wohl doch ein wenig zu gemein, daß ich ihn, nachdem er mich faul, unfähig und verbrecherisch genannt hat, als starrsinnig tituliert habe...
So einfach wie einen Richter wird man einen Staatsanwalt allerdings nicht los, und das Gericht hat da schon mal gar nichts mit zu tun, sondern man muß sich an den Behördenleiter wenden und dort beantragen, mich auswechseln zu lassen. Das kann selbiger Behördenleiter aber nicht innerhalb von 10 Minuten vor der Verhandlung entscheiden.

Also tauche ich im Sitzungssaal auf. Erstaunte Blicke folgen mir. Nach Eröffnung der Verhandlung folgt der übliche Sermon, wer nun alles wann und was Schreckliches gegen ihn verbrochen hätte. Ich werde noch von ihm getadelt, weil ich mir ein Lächeln trotz meiner üblicherweise eisernen Selbstbeherrschung heute doch nicht verkneifen kann. Aber der Richter erklärt ihm, daß dies wohl ein Lächeln der Verzweiflung gewesen sein dürfte, er sei im übrigen auch leicht verzweifelt inzwischen, und schlägt ihm nochmals vor, das Verfahren wegen geringer Schuld einzustellen, weil er der Meinung sei, daß der Angeklagte seine Angelegenheiten nicht mehr vernünftig geregelt bekomme und wohl auch unter Wahnvorstellungen leide.

Ich frage mich, wann wohl der Richter seinen Befangenheitsantrag bekommt, für mich selbst rechne ich im übrigen schon fest mit mindestens einer Dienstaufsichtsbeschwerde oder gar einer Strafanzeige. Aber wieder weit gefehlt. Plötzlich stimmt er zu, erklärt sich bereit, die auf ihn entfallenden Kosten zu zahlen. Wir stellen das Verfahren ein, und der Prozeß ist beendet. Warum nun nicht gleich so?

Nachdem der Angeklagte den Gerichtssaal verlassen hat, werde ich vom Richter mit den Worten "Ich nehme an, Sie bereiten schon den nächsten Verrückten für mich vor" verabschiedet. Endlich kann ich unbefangen lachen. "Ich arbeite dran!"
Ein leises Schnaufen begleitet mich nach draußen.

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