Donnerstag, 29. November 2012

Schon wieder...

...drei gegen einen. Dabei hatten wir doch schon festgestellt, daß das unfair ist.
Aus irgendeinem Grund habe ich mich überreden lassen, heute schon wieder einen Gerichtstermin zu übernehmen. Lag wahrscheinlich daran, daß ich mich in letzter Zeit darüber beklagt habe, zuviel Zeit an meinem Schreibtisch verbringen zu müssen.

Diesmal geht es auch noch zu einem auswärtigen Gericht, und ich quäle mich durch den morgendlichen Berufsverkehr, froh, daß ich mit dem sonst so gar nichts zu tun habe. Aber ich habe genug Zeit und komme pünktlich an, bin wie immer beeindruckt von den Sicherheitsvorkehrungen an den kleinen Gerichten, bei denen man sich so gar nicht darum kümmert, wer dort eigentlich ein und aus geht, und muß außerdem noch meine Hoffnung auf einen Cappuccino zur Einstimmung begraben, weil es dort schlichtweg keine Kantine gibt. Irgendwie habe ich es ja schon vorher geahnt. Vielleicht sollte ich eine entsprechende Eingabe bei meinem Dienstherrn machen, oder aber es ist gewollt, daß man mit nur mäßiger Stimmung in eine Verhandlung geht ;-).
Jedenfalls sitze ich mehr als rechtzeitig in vorschriftsmäßiger Bekleidung an meinem Platz und warte auf die Angeklagten, derer es heute drei sein sollen, zwei davon weiblich, was ziemlich selten ist. Dazu drei Verteidiger, Richter und zwei Schöffen, ein Vertreter der Bewährungshilfe und sogar ein Herr von der Presse, der bis zum Ende durchhält. Vielleicht hätte ich ihn mal fragen sollen, für welche Zeitung er eigentlich schreibt...
Dann geht es los, und ich verlese die Anklage, wobei ich mich selbstverständlich bemühe, das mit möglichst strenger Stimme zu tun. Es geht um mehrere Einbrüche in Supermärkte, und ich habe auf dem Terminszettel zuvor mit Schrecken festgestellt, daß der Richter durchgehend bis 14 Uhr Zeugen geladen hat, ohne daß auch nur eine Chance auf Mittagspause besteht. Andererseits nützt die einem ohne Kantine ohnehin nicht so recht was.
Wir befragen also zunächst die Angeklagten, wobei der Richter die Reihenfolge des Fragerechts sehr großzügig auslegt und mich statt als zweites immer erst als letztes drankommen läßt. Wenn ich es mir recht überlege, dürfen seine Schöffen überhaupt nicht fragen, auch nicht ganz korrekt. Zwei der Angeklagten räumen alles ein, die dritte wehrt sich heftig, obwohl schon nach den Aussagen der anderen beiden ihre Beteiligung ziemlich klar ist. In einer der kurzen Pausen mache ich ihren Verteidiger darauf aufmerksam, daß ein Geständnis durchaus strafmildernd wirken kann, aber es beeindruckt sie leider nicht. Außerdem bekommen wir von allen Verteidigern herzzerreißende Geschichten über die Kindheit ihrer Mandanten zu hören, ich bin zu Tränen gerührt.
Also geht es mit den Zeugen weiter, der Richter hat sich inzwischen auf die richtige Reihenfolge des Fragerechts besonnen, dafür habe ich bei dem ersten Zeugen den Eindruck, daß er irgendwas genommen hat. Im übrigen bin ich sehr beeindruckt von seinem Erinnerungsvermögen. Er kann noch genau sagen, wie er in welchen Laden eingebrochen ist, wo dort die Zigaretten lagen und wie er an sie herangekommen ist, aber angeblich nicht mehr, was vor dem Einbruch zwischen den Beteiligten besprochen wurde. Ich sollte vielleicht an dieser Stelle anmerken, daß er deshalb bereits von einem anderen Gericht verurteilt worden ist und überhaupt nur deshalb hier als Zeuge aussagen kann.
Es folgen noch ein oder zwei andere Zeugen mit zweifelhaftem Erinnerungsvermögen, dann kommt der Höhepunkt: eine von der Verteidigung benannte Zeugin, die aussagen soll, daß Kandidatin 3 von nichts wußte. Wir erinnern sie mehrmals daran, daß Falschaussage vor Gericht strafbar ist, aber sie bleibt zunächst standhaft. Nachdem der Richter mit ihr fertig ist und die Aussage schon mehr als schwach ist, bin ich dran und werde tatsächlich etwas strenger und etwas lauter, und schließlich kann sie dann doch nicht anders, als einzuräumen, daß auch Kandidatin 3 durchaus über das Geschehen im Bilde war. Ich kann mir nicht verkneifen, dem Verteidiger später zu sagen, daß man sich überlegen sollte, wen man als Zeugin benennt ;-).
Nun sind wir eigentlich am Ende. Wir entscheiden noch über allerlei Asservate, verlesen die Registerauszüge, und ich bekomme eine kurze Pause, um mein Plädoyer vorzubereiten. Ich ringe mir für den Haupttäter noch einen Antrag auf eine Bewährungsstrafe ab, obwohl ich dabei durchaus Bauchschmerzen habe, die Verteidiger sind begeistert und schließen sich mir an, was mich wahrscheinlich schon hätte mißtrauisch machen müssen und bekomme schließlich vom Richter bei der Urteilsbegründung zu hören, daß ich ja wohl zu milde wäre, und er verurteilt ohne Bewährung. Und das mir!!!! Ich überlege noch, ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung gegen den Richter einzuleiten gg, bin aber im Grunde nicht unglücklich über seine Entscheidung. Ich weiß allerdings jetzt schon, daß sie von der Berufungskammer unseres Landgerichts aufgehoben werden wird...

Um 15.40 Uhr sind wir dann endlich fertig. Ich hatte kein Mittagessen, keinen Cappuccino und noch eine längere Fahrt vor mir. Aber es war trotzdem ein guter Tag, endlich mal wieder eine Verhandlung mit Spannung. Und drei gegen einen machen gar nichts, mit denen werde ich locker fertig gg.

Keine Kommentare: