Donnerstag, 24. Oktober 2013

Grillt den Angeklagten!



Nachdem ich zur Zeit häufiger mehr oder weniger genötigt werde, eine Sendung ähnlichen Titels anzusehen, denke ich mir, daß ich das auch einmal versuchen könnte. Natürlich nicht in der Küche, ich würde mir niemals anmaßen zu behaupten, daß meine Fähigkeiten dafür auch nur im entferntesten ausreichend sind. Aber im Gericht könnte es doch klappen. Insbesondere wenn wieder einmal eine Märchenstunde ansteht…

Heute bin ich an einem Gericht, das ich nur höchst selten besuche, weil ich mich mal wieder für eine allgemeine Sache gemeldet habe. Von Zeit zu Zeit ist es nicht schlecht, sich auf den Boden der Tatsachen zurückzubegeben und festzustellen, daß es auch noch andere Straftäter gibt als solche, die in mehr oder weniger raffinierter Weise den Fiskus um sein sauer erspartes Geld bringen wollen. Das Gericht fällt allerdings gleich ein wenig unangenehm dadurch auf, daß sämtliche Zufahrtsstraßen wegen Bauarbeiten gesperrt sind, und ich dachte, die Baustellen wären schon alle hier verbraucht…ich parke also irgendwo in einer winzigen Parklücke (und freue mich wieder einmal über meinen Hang zur Überpünktlichkeit). Da machen sich die Fähigkeiten, die man vor Erwerb eines eigenen Parkplatzes als Bewohnerin einer Stadt erworben hat, doch echt bezahlt.

Fünf Wohnungseinbrüche liegen an, einer davon nur als Versuch, weil unpraktischerweise ein Nachbar währenddessen vorbeigekommen ist. Der Angeklagte sitzt in Untersuchungshaft, und der Richter –den ich bisher erst einmal vor einigen Jahren erlebt habe- zeichnet sich in einem kurzen Vorgespräch durch eine erfreulich pragmatische Art aus.

Wie immer das übliche: Personalien, Anklageschriften verlesen, der Angeklagte wird darauf aufmerksam gemacht, daß er sich zur Sache nicht äußern müßte. Aber er möchte sich äußern, hat sich gut vorbereitet und auf mehreren Zetteln zu jedem der Tatvorwürfe  zahlreiche Notizen. Zwei der Taten räumt er gleich ein. Zwei Taten bestreitet er, da habe ihn ein „Freund“ reinreißen wollen, man könnte das auch schon an der Tatzeit morgens sehen, vor 15.30 Uhr würde er nämlich nie seine Wohnung verlassen. Zu der versuchten Tat erzählt er eine etwas undurchsichtige Geschichte über Drogen, mit denen gedealt werden sollte (ich mache mir einen Vermerk). Auf die Frage, ob er denn auch einen Einbruch hätte begehen wollen, erwidert er: „An dem Tag nicht.“
Gute Antwort, wie ich finde, einer der Schöffen hat allerdings Mühe mit seiner Contenance, dabei ist das doch sonst immer mein Problem.

Wir überlegen, ob wir drei der fünf Taten einfach einstellen oder uns eine umfangreiche Beweisaufnahme gönnen sollen. Aber irgendwie gefällt mir das nicht, und ich fange nochmal an, den Angeklagten zu befragen, intensiv, insbesondere zu seinen persönlichen Verhältnissen, nachdem er uns schon erzählt hat, daß sein Leben doch sooo geordnet wäre und man ihm auf jeden Fall glauben müßte, daß er diese drei anderen Taten nicht begangen hätte. Dabei paßt schon alles sehr gut: Drogenabhängigkeit und kein Job, irgendwie muß das alles schließlich finanziert werden.
Und ich muß zugeben, daß „Grillen“ macht durchaus Spaß. Er wird zusehends unsicherer, die neben mir sitzende Referendarin bekommt große Augen, und der Richter lehnt sich zurück und genießt das Schauspiel, um, nachdem ich selbst fertig bin, auch noch einmal einzugreifen und sich einen anderen unklaren Punkt vorzunehmen. Manchmal klappt die Zusammenarbeit in der Justiz tatsächlich wunderbar ;-). Der Verteidiger bittet daraufhin um eine Unterbrechung, um mit seinem Mandanten sprechen zu können…

Nach Wiedererscheinen wird daraufhin zumindest noch ein weiterer Fall eingeräumt, der Drogenhandel blitzschnell als Schutzbehauptung, um den Einbruchsversuch nicht zugeben zu müssen, deklariert, und damit bin ich dann auch ganz zufrieden und beantrage für die drei Fälle eben das, was ich sonst für die fünf beantragt hätte. Ermessensspielraum ist was schönes! Ich bekomme mein Urteil auf das Wort genau, wie ich es möchte, der jetzt Verurteilte verzichtet auf Rechtsmittel, und alle scheinen glücklich und zufrieden zu sein. Wobei es einen eigentlich mißtrauisch stimmen sollte, wenn auch der Kandidat zufrieden ist, aber ich beschließe, das zu übergehen und fahre nachhause. Runder Gerichtstag!

Keine Kommentare: