Nachdem ich
zur Zeit häufiger mehr oder weniger genötigt werde, eine Sendung ähnlichen
Titels anzusehen, denke ich mir, daß ich das auch einmal versuchen könnte.
Natürlich nicht in der Küche, ich würde mir niemals anmaßen zu behaupten, daß
meine Fähigkeiten dafür auch nur im entferntesten ausreichend sind. Aber im
Gericht könnte es doch klappen. Insbesondere wenn wieder einmal eine
Märchenstunde ansteht…
Heute bin
ich an einem Gericht, das ich nur höchst selten besuche, weil ich mich mal
wieder für eine allgemeine Sache gemeldet habe. Von Zeit zu Zeit ist es nicht
schlecht, sich auf den Boden der Tatsachen zurückzubegeben und festzustellen,
daß es auch noch andere Straftäter gibt als solche, die in mehr oder weniger
raffinierter Weise den Fiskus um sein sauer erspartes Geld bringen wollen. Das
Gericht fällt allerdings gleich ein wenig unangenehm dadurch auf, daß sämtliche
Zufahrtsstraßen wegen Bauarbeiten gesperrt sind, und ich dachte, die Baustellen
wären schon alle hier verbraucht…ich parke also irgendwo in einer winzigen
Parklücke (und freue mich wieder einmal über meinen Hang zur Überpünktlichkeit). Da machen sich die Fähigkeiten, die man vor Erwerb eines eigenen
Parkplatzes als Bewohnerin einer Stadt erworben hat, doch echt bezahlt.
Fünf
Wohnungseinbrüche liegen an, einer davon nur als Versuch, weil
unpraktischerweise ein Nachbar währenddessen vorbeigekommen ist. Der Angeklagte
sitzt in Untersuchungshaft, und der Richter –den ich bisher erst einmal vor
einigen Jahren erlebt habe- zeichnet sich in einem kurzen Vorgespräch durch
eine erfreulich pragmatische Art aus.
Wie immer
das übliche: Personalien, Anklageschriften verlesen, der Angeklagte wird darauf
aufmerksam gemacht, daß er sich zur Sache nicht äußern müßte. Aber er möchte
sich äußern, hat sich gut vorbereitet und auf mehreren Zetteln zu jedem der
Tatvorwürfe zahlreiche Notizen. Zwei der
Taten räumt er gleich ein. Zwei Taten bestreitet er, da habe ihn ein „Freund“
reinreißen wollen, man könnte das auch schon an der Tatzeit morgens sehen, vor
15.30 Uhr würde er nämlich nie seine Wohnung verlassen. Zu der versuchten Tat
erzählt er eine etwas undurchsichtige Geschichte über Drogen, mit denen
gedealt werden sollte (ich mache mir einen Vermerk). Auf die Frage, ob er denn auch
einen Einbruch hätte begehen wollen, erwidert er: „An dem Tag nicht.“
Gute
Antwort, wie ich finde, einer der Schöffen hat allerdings Mühe mit seiner
Contenance, dabei ist das doch sonst immer mein Problem.
Wir
überlegen, ob wir drei der fünf Taten einfach einstellen oder uns eine
umfangreiche Beweisaufnahme gönnen sollen. Aber irgendwie gefällt mir das
nicht, und ich fange nochmal an, den Angeklagten zu befragen, intensiv,
insbesondere zu seinen persönlichen Verhältnissen, nachdem er uns schon erzählt
hat, daß sein Leben doch sooo geordnet wäre und man ihm auf jeden Fall glauben
müßte, daß er diese drei anderen Taten nicht begangen hätte. Dabei paßt schon
alles sehr gut: Drogenabhängigkeit und kein Job, irgendwie muß das alles schließlich
finanziert werden.
Und ich muß
zugeben, daß „Grillen“ macht durchaus Spaß. Er wird zusehends unsicherer, die
neben mir sitzende Referendarin bekommt große Augen, und der Richter lehnt sich
zurück und genießt das Schauspiel, um, nachdem ich selbst fertig bin, auch noch
einmal einzugreifen und sich einen anderen unklaren Punkt vorzunehmen. Manchmal
klappt die Zusammenarbeit in der Justiz tatsächlich wunderbar ;-). Der
Verteidiger bittet daraufhin um eine Unterbrechung, um mit seinem Mandanten
sprechen zu können…
Nach
Wiedererscheinen wird daraufhin zumindest noch ein weiterer Fall eingeräumt,
der Drogenhandel blitzschnell als Schutzbehauptung, um den Einbruchsversuch
nicht zugeben zu müssen, deklariert, und damit bin ich dann auch ganz zufrieden
und beantrage für die drei Fälle eben das, was ich sonst für die fünf beantragt
hätte. Ermessensspielraum ist was schönes! Ich bekomme mein Urteil auf das Wort
genau, wie ich es möchte, der jetzt Verurteilte verzichtet auf Rechtsmittel,
und alle scheinen glücklich und zufrieden zu sein. Wobei es einen eigentlich
mißtrauisch stimmen sollte, wenn auch der Kandidat zufrieden ist, aber ich
beschließe, das zu übergehen und fahre nachhause. Runder Gerichtstag!