Donnerstag, 10. Dezember 2015

Wie man systematisch Zeit verschwendet

Der geneigte Leser erinnert sich vielleicht, dass die Terminswellen gerade quasi über mir zusammenschlagen.Einer der zahlreichen Termine sollte nun heute stattfinden. Und das Wort "sollte" impliziert wohl schon, daß es nicht ganz so vonstatten gegangen ist, wie eine engagierte Mitarbeiterin der Justiz es sich wünschen würde.

Es geht um Kindergeldbetrug. Die Angeklagte hat gefälschte Ausbildungsbescheinigungen erstellt und ihrem Vater untergejubelt. Was zur Folge hat, daß ich zunächst ihren Vater anklage. Dieser kann aber in der Hauptverhandlung glaubhaft machen, daß er mit all dem nichts zu tun hat. 

Also eine neue Anklage verfasst, ist ja keine große Sache, das kurz zu ändern. Schon bald gibt es einen neuen Termin, diesmal gegen die Tochter. Und es passiert: nichts! Die Dame erscheint unentschuldigt nicht. Ich beantrage einen Haftbefehl, um sie vorführen zu lassen. Der Richter erklärt mir gleich, daß er nur einen erläßt, um ihr einen Schrecken einzujagen und sie dann von der Haft verschont wird.

Genauso passiert es auch, wie ich später den Akten entnehme. Sie wird von der Polizei in ihrer Wohnung abgeholt, der Haftrichterin vorgeführt. Dieser verspricht sie hoch und heilig, zum nächsten Termin zu erscheinen, und wird dann wieder nachhause geschickt.

Der nächste Termin naht. Ich erscheine pünktlich im Gericht, um dann zu erfahren, daß die Angeklagte sich krank gemeldet hat. Bitte einmal alle gemeinsam: Oooooooooooooohhhh!!!!!!!!!
Danke!
Der Richter, seines Zeichens ein geborener Optimist trotz seines Berufes, erklärt mir, daß er ihr glaubt. Ich melde einige Zweifel an, aber es nützt nichts, der Termin wird verschoben,

Heute nun also der nächste Termin. Ich betrete das Gericht mit einer gewissen Vorahnung, aber noch nicht im Zustand völligen Pessimismus´...den ich mir durchaus hätte erlauben können, denn wer erscheint nicht? Diesmal hat sie zwei Tage vor dem Termin einen Brief an das Gericht geschrieben (der gestern angekommen ist), der besagt, daß es ihr nicht möglich sei, morgens um 9 im Gericht zu sein, da sie ja von außerhalb komme. Im übrigen bräuchte sie zunächst einen Pflichtverteidiger und ob sie nicht außerdem ihre Aussage bei einem Richter an ihrem Wohnort machen könne. Die Ladung hat sie bereits vor einem Monat bekommen, man hätte das durchaus mal vorher klären können.

Der Richter merkt trocken an, daß sie nun vielleicht tatsächlich bald einen Pflichtverteidiger benötigen würde (Anm. der Verf.: Wer in U-Haft sitzt, bekommt einen...). Immerhin hat er eine email-Adresse von ihr ausfindig gemacht und kündigt an, ihr zu schreiben, daß sie sich heute noch bei ihm telefonisch melden müsse und es ansonsten einen neuen Haftbefehl gäbe. Und sie soll ihm versprechen, nächsten Dienstag zu einem neu anzuberaumenden Termin zu erscheinen (erneute Anm. der Verf.: das ist der einzige Tag in der nächsten Woche, an dem ich bisher noch keinen Termin habe...bisher wohlgemerkt...). Ich erkläre, daß ich die Variante, sie sofort in U-Haft zu nehmen und bis nach Weihnachten dort sitzen zu lassen, wesentlich reizvoller finde. Leider setzt sich mein Vorschlag nicht durch.

So kann man doch seine Arbeitszeit sinnvoll rumbringen. Wie es weitergeht? Man wird sehen...

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