Tja, da denkt man, man hat einen wüsten Prozess einigermaßen erfolgreich über die Bühne gebracht, da geht schon der nächste los, und es stellt sich heraus, daß der auch nicht viel besser ist. Diesmal geht es um einen Herren aus meinem eigenen Dezernat, was mich wieder einmal in meiner Meinung bestärkt, daß sich sämtliche Verrückte des gesamten Landgerichtsbezirks dort versammelt haben. Eigentlich ein ganz einfacher Fall von Steuerhinterziehung, kein besonders hoher Schaden, dennoch hat die Akte einen gewaltigen Umfang, der in erster Linie durch Schreiben des Angeklagten herrührt. Beim ersten Durchblättern der Akte befällt mich bereits ein ungutes Gefühl ;-).
Das Gefühl verstärkt sich, als mich am Tag vor dem Prozess der Richter anruft und mir erklärt, er habe noch einige weitere hundert Seiten Schriftsätze des Angeklagten, würde aber davon Abstand nehmen, mir diese zur Kenntnis zu schicken, um mich nicht unnötig zu belasten. Wir besprechen, daß wir uns eine Einstellung der Sache gegen eine Auflage vorstellen können, um das ganze möglichst unproblematisch vom Tisch zu bekommen. Ich schöpfe ein wenig Hoffnung.
Aber diese Hoffnung ist nur von kurzer Dauer und bekommt den ersten Dämpfer, als mir die Vertreterin der Finanzbehörde, die bei Steuerprozessen üblicherweise dabei ist, erklärt, der gute Mann habe gerade eine 170-seitige Petition an das Ministerium geschickt, in der er sich gegen die ihn gerichtete Behandlung durch die Finanzbehörden beschwert...offenbar waren mal wieder alle fies zu dem armen Kerl.
Die Anklageschrift kann ich immerhin noch ohne Unterbrechung verlesen, obwohl ich sehe, wie er bereits unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutscht, dann legt er los...zum einen wisse er genau, daß Einnahmen grundsätzlich nicht steuerpflichtig seien, wenn sie nur über einen Zeitraum von drei Monaten erzielt worden wären. Ist uns zwar allen neu, insbesondere weil es hier um Umsätze im sechstelligen Bereich geht, aber wir ignorieren das erstmal. Dann folgt ein längerer Sermon über die Rechtswidrigkeit aller Maßnahmen, die je gegen ihn durchgeführt wurden...
Wir versuchen ihn zu der von uns anvisierten Einstellung zu überreden. Er möchte aber nur einer Einstellung ohne Auflage zustimmen, was ich kategorisch ablehne. Während der Verteidiger mit ihm rausgeht und noch einmal versucht, ihn davon zu überzeugen, teilt mir der Richter mit, daß er sehr dankbar für meine Ablehnung sei. Hab ich doch gerne gemacht ;-). Leider ist der Verteidiger erfolglos, und aus einem Termin, vom dem ich dachte, daß er in einer Stunde erledigt sein würde, werden mindestens zwei Fortsetzungen...
Fazit: ich werde mir noch weitere Ausführungen über Verfehlungen der Justiz anhören dürfen, vermutlich ein eigenes Verfahren an den Hals bekommen, weil ich nicht gegen die bösen Finanzbehörden ermittelt habe oder weswegen auch immer, ein Urteil erwirken, gegen das auf jeden Fall Berufung eingelegt werden wird, weiterhin "meine" Kandidaten größtenteils für verrückt halten und außerdem wieder einmal sehr glücklich sein, daß ich keine Anwältin mehr bin und solche Typen als Mandanten habe (der bringt seinen eigenen nämlich auch an den Rand des Wahnsinns gg).
Last Christmas und Happy New Year
vor 7 Jahren
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