Donnerstag, 2. April 2009

Wie man einen Knoten in der Zunge bekommt

Das ist nun aber wirklich mal einfach. Man muß nur eine Anklageschrift verlesen, die 190 Betrugsfälle zum Inhalt hat, die alle etwa so lauten: "Am... bestellte die Angeklagte bei der Firma ... unter Verwendung des Namens ... Waren im Wert von ..." Uff, so ging das über 13 Seiten, zwischendurch mußte ich immer mal überlegen, in welche Zeile ich denn nun eigentlich gerade bin und ob es 144,95 oder 195,44 ist, was ich da lesen soll, aber im großen und ganzen habe ich mich wacker geschlagen und das ganze ohne größere Schnitzer vorgetragen. Richter, Schöffen und Verteidigung waren leicht gelangweilt, ich hatte hinterher ein merkwürdiges Kratzen im Hals. Zu guter Letzt hat die Frau dann auch noch nur eine Bewährungsstrafe bekommen. Hauptgrund dafür war, daß sie ein behindertes Kind hat, das von ihr betreut wird. Soll man so eine Frau wirklich einsperren? In so einem Moment merke ich sehr deutlich den Unterschied zwischen der Akte und dem tatsächlichen Fall, den man vor Gericht erlebt.

Diese Woche war einigermaßen ruhig, es wollte wohl niemand verhaftet werden. Dafür hat einer meiner Kandiaten einen Antrag auf Haftprüfung gestellt, so daß ich nächste Woche wohl schon wieder losdüsen darf, das Untersuchungsgefängnis ist ja nicht hier. Die Begründung für den Antrag auf Haftprüfung besteht übrigens darin, daß jetzt keine Fluchtgefahr mehr bestehen soll, weil der Beschuldigte doch einen festen Wohnsitz hat. Das war ihm bei der Vorführung vor dem Haftrichter nur entfallen. Ich halte das ja ehrlich gesagt nur für mittelmäßig glaubhaft gg.

Seit gestern darf ich nun den Großteil meiner Akten ganz alleine bearbeiten und die Verfügungen selbst unterschreiben. Ich muß zugeben, daß ich am Dienstag schon vorgearbeitet und enen großen Stapel vordatiert habe, der dann erst gestern in den Postausgang ging. Es ist ein schönes Gefühl, und ich fühle mich nicht mehr so als Azubi. Außerdem hört so endlich die Schlepperei auf. Aber ein bißchen mehr nachdenken muß ich jetzt schon. Ich habe vorher vieles auch einfach ausprobiert, in dem Wissen, daß es ja noch kontrolliert wird und nichts passieren kann. Jetzt muß ich mich möglichst vorher absichern, damit es dann auch gleich richtig läuft.

Morgen ist nun der große Tag, und Frank hat seine Habilitations-Feier. Ich werde dann noch berichten.

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