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Tag 1 – Das Ende
Ich ließ ihn dort liegen – er wollte es so … Mein Kleiner hatte
aufgegeben … Sich selber, mich und uns … er war… nein, er ist nicht
stark genug… Im Spiel muss er es nie sein, im Leben kann er es nicht
sein.
Es gab dazu nicht mehr viel zu sagen, also gab ich ihm eine Decke,
befreite ihn von allen Fesseln und verließ den Raum. Jede Nähe würde ihn
noch unruhiger, noch aggressiver werden lassen… ein verletztes Tier,
das nach jeder Hand schnappt. Es machte keinen Sinn mehr, es war sein
Wunsch, den ich ausnahmsweise befolgte.
Mit einem Glas Wein ging ich nach draußen, atmete den Duft des
Kräutergartens ein und begann nachzudenken. Die Gedankenachterbahn
gleichte heute einer 8 … immer wieder kam ich an die gleichen Stellen im
Kopf, kamen die immer gleichen Bilder hoch, die immer gleichen Fragen…
immer wieder ohne Antwort weiter fahren… Kein Vorwärts, Kein Rückwärts,
Kein Ausstieg – Jegliche Energie an dieser Stelle ist verschwendet.
Ich sinniere vor mich hin “Er ist devot, er ist maso … Ist er es wirklich?”
Mir kommt Faust in den Sinn “Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust” – Goethes Worte, Mephisto in diesem Spiel bin wohl ich. Seufzend leere ich mein Glas, der Rotwein schimmert wie Blut am Rande des Glases…. Meines ist ruhig.
Mir kommt Faust in den Sinn “Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust” – Goethes Worte, Mephisto in diesem Spiel bin wohl ich. Seufzend leere ich mein Glas, der Rotwein schimmert wie Blut am Rande des Glases…. Meines ist ruhig.
Mir wird kalt. Die Decke habe ich über ihn gelegt, mir ist immer
wichtig gewesen, daß es ihm gut geht, daß er sich gut fühlt. Bevor ich
ins Bett gehe, schaue ich ein letztes Mal nach ihm, sehe ihm beim
Schlafen zu … Er sieht friedlich aus … Wenigstens im Schlaf findet er
das, was er sucht.
Tag 2 – Meer ist Kraft
Sonnenaufgänge am Meer … Es gibt wenig Beruhigenderes… Verankernd …
Egal, wie Steil die Kante ist, ich fühle mich hier sicher, zuhause.
Ich spüre ihn, bevor ich ihn sehen oder hören kann… Seine
Unsicherheit umgibt ihn wie ein elektrisch geladener Zaun – Nicht
Anfassen – Hochspannung – Tod!!
Es fehlt noch der Totenkopf auf seiner Stirn.
Es fehlt noch der Totenkopf auf seiner Stirn.
Er schaut mich an, er will etwas sagen – Die Worte fehlen ihm … wie
so oft. Er ist es gewohnt, daß andere für ihn reden, für ihn
entscheiden. Er versucht mit mir zu sprechen, das Tosen des Meeres
verschluckt den Laut – ich kann von den Lippen ablesen, was er mir sagt.
“Verstehst du, dass ich nicht bin, was du in mir siehst?” versucht er, das Geräusch zu übertönen.
“Verstehst du, dass ich als Außenstehender möglicherweise besser erkenne, was gut für dich ist?”
Müde schaue ich ihn an, ich weiß, daß ich viel sagen könnte,
vielleicht auch sagen möchte … Weiss schon jetzt, dass alles, was ich
sage, bei ihm nicht ankommen wird. Er ist gefangen – in seinem Denken,
seinem Leben, seiner Unfähigkeit sich selbst zu akzeptieren. “Das Meer
war zu laut” würde er sagen, wenn ich fragen würde, ob er mich
verstanden hat.
Also starre ich ihn weiter schweigen an – denke an die anderen Männer
in meinem Leben, erkenne ein Muster – treffe eine Entscheidung.
Ich kann ihm nicht helfen, ich kann ihn nicht retten, also muss ich gehen, ihn gehen lassen.
Ich kann ihm nicht helfen, ich kann ihn nicht retten, also muss ich gehen, ihn gehen lassen.
Er wird nicht verstehen, was ich gesehen habe, mir das nicht glauben…
Er wird Argumente bringen, dass das nicht sein wahres Ich ist, daß er
schlechter ist als das, was ich sehe, wenn ich ihn anschaue. Er könne
meine Erwartungen nicht erfüllen, könne mein Verlangen nicht stillen…
Ich werde ihn nicht umstimmen, es nicht mal mehr versuchen.
Meine Philosophie ist recht einfach: Nimm’ die Menschen so, wie sie
sind, gebe ihnen Halt, wenn sie ihn brauchen … Lass los, wenn sie frei
sein wollen … Versuche nicht, jemanden zu ändern, ändere Deine Haltung
und akzeptiere … Das Ganze, den ganzen Menschen. Weil ich an das Gute im
Menschen glaube … Weil es immer einen Weg gibt … Weil ich erkenne, wenn
ich etwas Kostbares in den Händen halte und es bewahren werde… Immer –
Schon immer… Für Immer.
“Ich liebte alles an Dir”, denke ich ihm zu, “weil selbst die Ecken
und Kanten, weil selbst das vermeintlich “Schlechte”, ein schönes
Gesamtbild formen. Weil selbst Deine Fehler etwas Gutes haben – sie
machen Dich aus. Love all your perfect imperfections.” Ich möchte ihm
zurufen: “Fang’ an Dich selber für das zu akzeptieren, was Du bist” …
Die Worte bleiben in meinem Kopf, das Tosen ist zu laut, das Tosen in
seinem Kopf wird die Worte verstummen lassen.
“Akzeptiere die Dinge, die Du nicht ändern kannst und ändere die, die veränderbar sind.”
Ich verstehe, was er ist. Die Bandbreite
seines Seins ist immens. Er liebt die Schizophrenie seiner Existenz. Er
ist eine Medaille – Kopf oder Zahl – schwarz oder weiß – leben oder
vegetieren – lachen oder weinen – warm oder kalt – emotional oder
rational …. Beide Seiten haben ihre Daseins-Berechtigung… Jede steht für
eine Entscheidung. Er trifft keine, er ist die Münze, die immer auf der
Kante stehen bleibt. Weder auf die eine noch auf die andere Seite
fällt.
Im Gleichgewicht gehalten vom Selbstbetrug.
Als ich mich umdrehe, zurück zum Wagen möchte, ruft er mir hinterher: “Rede dir bitte nicht wieder ein, du wärest nicht liebenswert!“
Ich bleibe stehen. Atme tief ein und wieder aus. Ich drehe mich ein
letztes Mal zu ihm um … Ich lächel ihm zu, meine Maske intakt, zurück
zum Anfang.
“Jaja” sagt mein Gesichtsausdruck … “Jaja” bedeutet…. Das wissen wir beide.
Er weiß, daß seine Worte mir nichts bedeuten … Taten sagen mehr als Worte, unsere Taten sind Fakten, sind Grundlagen, sind real – Worte sind geduldig, sind oft falsch, sind manchmal relativ … Sender – Empfänger… An Taten ist wenig misszuverstehen… Ich würde ihm gerne antworten, ihm sagen, daß er sich gerade lächerlich macht… Der Mann, der Angst vor Liebe und Intimität hat,der eine Lüge lebt, will mir sagen, wie Liebe funktioniert, wie man ehrlich ist und sich selbst akzeptiert, denke ich bei mir, wie niedlich.
Er weiß, daß seine Worte mir nichts bedeuten … Taten sagen mehr als Worte, unsere Taten sind Fakten, sind Grundlagen, sind real – Worte sind geduldig, sind oft falsch, sind manchmal relativ … Sender – Empfänger… An Taten ist wenig misszuverstehen… Ich würde ihm gerne antworten, ihm sagen, daß er sich gerade lächerlich macht… Der Mann, der Angst vor Liebe und Intimität hat,der eine Lüge lebt, will mir sagen, wie Liebe funktioniert, wie man ehrlich ist und sich selbst akzeptiert, denke ich bei mir, wie niedlich.
Mit einem bitteren Lachen drehe ich mich um und lasse ihn machen, wofür er an den Abgrund gekommen war: Er wird springen.
Ignorance is bliss.
Es wird ihm bald wieder gut gehen. Er wird
sich die Augen reiben, sein Tagebuch lesen und sich kneifen. Ein Traum,
wird er sich sagen… sich schütteln und seinem geregelten Tagesablauf
nachgehen. Gleichförmig, Gerade, Unaufregend… Das Nest ist warm und
heimelig, die Abende auf der Couch werden sein wie alle Abende zuvor,
die größte Aufregung wird die Entscheidung für das TV-Programm sein …
Action oder Gefühle … Er entscheidet das nicht. Die Fernbedienung hat
jemand anderes. Sein Leben wird ferngesteuert. Die Knöpfe drücken
andere.
Ab und an wird ihm ein Seufzen entgleiten,
in der Stille der Nacht … wenn er die Tür, die knarrt und quietscht,
aufmacht zu der anderen Seiten seines Ichs – Kopf oder Zahl, einmal kurz
gucken. Spuren hinterlassen in sicherer Entfernung … Sein zweites Ich
fütternd… Er kann es nicht leben lassen, kann sich nicht ausleben …
Sterben lassen aber auch nicht, zu sehr liebt er sein Leben … Kopf oder
Zahl … Die Frage seines Lebens.
Ich setze mich in mein Auto und fahre nach Hause. Ich sende ihm noch
kurz einen Gedanken, hoffend, dass er seinen Weg findet und die
richtigen Türen in der Zukunft erkennt und aufmacht.
Ich drehe meine Anlage auf, nehme mein Buch in die Hand, das
Koala-Lesezeichen fällt in meine Hand … Lächelnd stecke ich es in den
ungelesenen Teil und lese weiter …
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