Donnerstag, 10. Juli 2014

Altlasten

Meine heutigen Beschäftigungen passen sehr gut zum Thema "Aufräumen", auch wenn es diesmal endlich wieder im dienstlichen Bereich stattgefunden hat. Aber Ordnung schaffen kann man ja wohl nie genug und überall.

Zunächst einmal bringe ich einen meiner älteren Fälle vom Tisch. Immer erfreulich, eingestellt, weg damit, hoffen, daß es keine Beschwerde gibt. Wir werden sehen...

Danach wird es ungleich spannender, denn es gibt eine Besprechung beim Landgericht. Dort antreten zu müssen, birgt schon jedesmal die gewaltige Spannung, ob sich denn ein Parkplatz finden wird oder nicht...der heutige Fall, um den wir uns kümmern wollen, ist wohl das älteste, was mein Dezernat zu bieten hat und stammt noch von meiner Vor-Vorgängerin. Die Akte ist aus dem Jahr 2004, die Anklageschrift aus dem Jahr 2006, 2012 gab es immerhin den Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahren, mehr ist seitdem nicht passiert, außer daß ich alle 6 Monate hartnäckig eine Sachstandsanfrage beim Landgericht gestellt habe...

Dann aber geht es Schlag auf Schlag. Vor vielleicht zwei Wochen erhalte ich eine Terminsnachricht mit 6 anberaumten Terminen im...November und Dezember. Ok, ein wenig Vorlauf muß wohl sein, Termine schon mal notiert. Wenige Tage später erhalte ich ein weiteres Schreiben vom Landgericht, in dem zum heutigen Gespräch gebeten wird. Aber nicht etwa ich als zuständige Dezernentin, sondern mein Abteilungsleiter, der bereits öfter erwähnte Oberstaatsanwalt Huschig. Den ich gleich darauf ein wenig irritiert aufsuche, um mich zu erkundigen, was er denn wohl mit meinem Fall zu tun habe, und der mir dann erklärt, daß er das alles in die Wege geleitet hätte und den Fall jetzt übernehmen würde. Gut, das dann auch schon zu erfahren, aber ich bin letztlich Beamtin, und die beschweren sich ja wohl nie, wenn ihnen Arbeit abgenommen wird.

Vor zwei Tagen steht Oberstaatsanwalt Huschig dann plötzlich wieder in meinem Büro. Ihm wäre eingefallen, daß er zum Besprechungstermin gar keine Zeit hätte, ob ich das nicht erledigen könnte. Ach nee, das hätten wir auch gleich haben können, aber da ich sonst nichts zu tun habe, mache ich das natürlich. 

Und so kommt es, daß ich mich heute in einem winzigen Richterzimmer wiederfinde, darin die Große Strafkammer in voller Besetzung mit drei Personen, ich, eine Referendarin (die weit mehr nach Staatsanwältin aussieht als ich...) und ein Anwalt unserer Starverteidiger-Riege. Den kenne ich ganz gut, er ist glücklicherweise einer der angenehmeren Zeitgenossen aus dieser Zunft, und der Trick besteht darin, ihn zunächst einmal reden zu lassen, damit er das Gefühl hat, alles, was ihm so auf dem Herzen liegt, loswerden zu können. Und so ist es auch diesmal: wir hören eine längere Geschichte über die Schwierigkeiten, seinen Mandanten zu erreichen, dessen unterschiedliche Krankheiten, eine grobe Einschätzung des Sachverhalts, um schließlich mit der Ansage zu enden, daß wir ja wohl alle hier wären, um das Verfahren möglichst ohne Hauptverhandlung vom Tisch zu bringen (womit er recht hat) und der Frage, wie wir uns da wohl einigen können. Weiterhin die Erklärung, daß sein Mandant auf keinen Fall eine Geldauflage zahlen wolle, aber mit der Ableistung gemeinnütziger Arbeit einverstanden wäre.

Nun, ich habe grundsätzlich absolut nichts gegen gemeinnützige Arbeit, ganz im Gegenteil. Ein Blick auf den Aktendeckel verrät mir jedoch, daß der Kandidat das 70. Lebensjahr bereits überschritten hat, und nach den Ausführungen, die mir gerade über seinen Gesundheitszustand präsentiert wurden, stehe ich dieser Lösung verständlicherweise ein wenig mißtrauisch gegenüber. Aber mir wird versichert, daß das alles wunderbar klappen würde, wenn ich dann nur einverstanden wäre.

Und dann kommt endlich das Basar-Gefühl auf, das ich an solchen Besprechungen so liebe. Der Verteidiger versucht, mich davon zu überzeugen weshalb es möglichst wenig Arbeitsstunden sein sollen, ich ihn, weshalb es möglichst viele sein sollen. Die Richter halten sich dabei wie immer vornehm aus allem raus, während ihre Köpfe ähnlich wie auf dem Tennisplatz hin und herfliegen, um nur ja nichts von der Show zu verpassen.

Letztlich sind wir wohl beide zufrieden. Der Anwalt ruft seinen Mandanten an und bekommt -offenbar zu seinem eigenen Erstaunen- sofort dessen Zustimmung. Als er sich dann allerdings anschickt, eine längere Geschichte von einem gerade erst stattgefundenen spektakulären Prozeß zum besten zu geben, verabschiede ich mich unter einem Vorwand. Ein knurrender Magen sollte ja wohl auch Grund genug sein...der dann seine Belohnung in meinem Lieblings-Restaurant bekommt. Wenn schon mein ältester Schinken endlich gegessen ist ;-).

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