Über langweilige Gerichtsverhandlungen vielleicht? Nun ja, heute bin ich dann dafür entschädigt worden. Und ich möchte anmerken, daß es vorher einen Cappuccino gab, meine Laune also ganz gut war ;-).
Der erste Fall war mein Haßfall, eine Akte aus meinem alten Dezernat, bevor ich in die Wirtschaft gewechselt bin und die man mir vorher noch schnell untergejubelt hat. Schon zu dem Zeitpunkt war es ein altes Verfahren, für das niemand sich so recht engagiert hat, was nicht ganz unverständlich ist, denn es ist ziemlich verworren und langes Liegenlassen macht solche Fälle nicht gerade besser. Es geht um einige russische Mitbürger, die gestohlene Autos verkauft haben, nachdem sie zuvor deren Fahrgestellnummern durch solche von Unfallwagen, die sie billig aufgekauft haben, ersetzt haben. Ich bin immer noch überzeugt, daß auch der Diebstahl der Autos auf ihr Konto geht, habe aber leider keine Möglichkeit, das zu beweisen.
Die Taten alle aus dem Jahr 2006, und heute schicken wir uns nun endlich an, darüber zu verhandeln. Wieder einmal habe ich eine satte Mehrheit gegen mich, drei Angeklagte nebst Verteidigern und eine Dolmetscherin, die natürlich nichts dafür kann, daß sie auf der falschen Seite sitzen muß ;-). Aber so etwas bin ich ja zum Glück gewohnt, und ich habe ja außerdem meinen Referendar mit auf meiner Seite sitze, den ich zudem aufgrund von leichten Halsschmerzen meinerseits dazu nötige, die nicht ganz kurze Anklageschrift zu verlesen. Ein paar Vorteile muß man ja haben als Ausbilderin...
Nach Verlesung geht es sofort ins Beratungszimmer zu einem der vielen informellen Rechtsgespräche, die ich schon geführt habe. In Anbetracht des Alters der Vorwürfe einigen wir uns nach zähen Verhandlungen auf eine Einstellung unter allerlei Auflagen, und ich unterdrücke nur mit Mühe einen Lachanfall, als einer der Verteidiger berichtet, sein Mandant habe sich inzwischen ein neues Fahrzeug besorgt. Ich möchte dann lieber nicht wissen, was ich unter "besorgen" zu verstehen habe.
Haßfall damit harmloser als erwartet über die Bühne gebracht.
Beim nächsten Fall haben eigentlich alle, inclusive mir und der Richterin, damit gerechnet, daß die Angeklagte nicht erscheinen würde, und wir sind alle reichlich erstaunt, als sie nach Aufruf plötzlich in den Gerichtssaal schwebt. Vorwurf: Wohnungseinbruchsdiebstahl, pikanterweise zweimal in dieselbe Wohnung bei einem Mann, der auch noch bei ihrer Familie als Freund des Hauses ein und aus geht.
Die liebe Frau K. würde über die Angeklagte sagen, daß sie nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, und ich würde ihr ohne zu zögern zustimmen. Großes Erstaunen, daß diesmal -es war nicht die erste Tat- etwas anderes als eine Geldstrafe herauskommen soll. Ich gebe meinem Referendar die Gelegenheit, das erste Plädoyer seines Lebens zu halten, und er schlägt sich einigermaßen wacker. Ich nutze die sich anschließende Mittagpause, um ihm wertvolle Tipps für sein weiteres juristisches Leben zu geben ;-).
Der letzte Fall naht. Es ist sogar in der Akte vermerkt, daß nicht mit einem Erscheinen zu rechnen sei. Aber auch er überrascht uns und steht plötzlich im Gerichtssaal in Begleitung eines dieser unglaublich smarten Anwälte aus der Großstadt, der sichtlich ein wenig angefressen darüber ist, daß sein Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger abgelehnt wurde (das wiederum auf meinen Antrag hin...). Man kann nicht umhin, ihn als reichlich arrogant zu bezeichnen, und er macht sich bei mir nicht gerade beliebter dadurch, daß jeder zweite Satz "Die Staatsanwaltschaft scheint ja zu glauben" lautet. Ich hätte ihm ja gerne einiges darüber erzählt, was ich denn so alles glaube.
Sein Mandant ist im übrigen angeklagt, Frauen im Internet kennengelernt und bei Besuchen Schmuck aus ihrer Wohnung gestohlen zu haben oder aber an ihren Computern allerlei Bestellungen auf ihre Rechnung aber an seine Adresse zu tätigen. Dies nur als Warnung an alle, die sich häufig im Internet aufhalten und dort allerlei Bekanntschaften schließen ;-). Der Angeklagte bestreitet das aber vehement, das sei alles nur die Rache von abgewiesenen Frauen, völlig klar...
Da er nun einmal da ist, vernehmen wir natürlich auch die anwesenden Zeugen, und eine auf 30 Minuten angesetzte Verhandlung dauert mal eben über zwei Stunden, Fortsetzung folgt...
In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit fahre ich nicht mehr ins Büro und schaffe es auch nicht, mit dem Referendar die Akten für seine eigene Sitzung am Mittwoch zu besprechen. Ich bestelle ihn für morgen ein und sause zum Parkhaus, um festzustellen, daß der dortige Kassenautomat nur Geldscheine bis zur Höhe von 10,- annimmt, ich aber natürlich nur einen 20,--Schein habe...Niemand in der Nähe, auch im Gericht kann mir niemand Geld wechseln, so daß ich schließlich gezwungen bin, zur nächsten Straße zu wetzen, dort einen Bäcker aufzusuchen und ein halbes Brot zu kaufen, daß die Kasse gerade geschlossen war und nicht zum Wechseln geöffnet werden kann...na super. Aber wir immer schaffe ich alles noch im letzten Moment.
Aufregend genug? Mir hat´s gereicht...
Ein neues Abenteuer
vor 7 Jahren
1 Kommentar:
...über den ersten Fall müssen wir noch mal sprechen...grummel. Liest sich wieder sehr amüsant. Ich hoffe wir hören/lesen uns bald wieder und grüße bis dahin ganz lieb nach Norden bevor ich auf der Couch verschwinde :-)...
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