Donnerstag, 9. August 2012

Jugendgericht

Manchmal kommt man zu einer Gerichtsverhandlung wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kinde. Gerade bin ich erfolgreich die eine für heute losgeworden, erkrankt ein Kollege, und ich erkläre mich bereit, für ihn einzuspringen. Immerhin habe ich ja eh gedacht, daß ich heute unterwegs sein werde.

Interessant ist, daß diese Verhandlung in der Stadt stattfindet, in der ich immerhin fast 6 Jahre als Rechtsanwältin gearbeitet habe, bevor es mich auf die andere Seite verschlagen hat. In der ganzen Zeit seitdem bin ich noch nicht einmal dort zu einem Gerichtstermin gewesen, keine Ahnung ob das Zufall war. Ich bin jedenfalls früh dort und habe noch Zeit für einen Kaffee und einen kleinen Spaziergang. Es ist erstaunlich, was sich alles verändert hat in den paar Jahren. Passenderweise geht mir gerade die Zeile eines Liedes durch den Kopf:

Sometimes I return to the places in my past
Did you know nothing did last.

So ist es wirklich, es sieht alles anders aus, sogar die Gerichtssäle sind renoviert und verändert. Zeit jedenfalls, in meine Rolle zu schlüpfen, erstaunlich was so eine Robe alles ausmachen kann. Angeklagt ist ein junger Mann, der im November erst aus der Haft entlassen worden ist und seit März schon wieder in Untersuchungshaft sitzt. Sein Werdegang traurig wie meistens in solchen Fällen.

Sein Unrechtsbewußtsein ist aber ehrlich gesagt auch traurig. Er erzählt frisch und frei von seinen Taten, einige bestreitet er, die meisten räumt er ein. Er scheint kein rechtes Problem damit zu haben, daß er Straftaten begeht. Immerhin sieht er ein, daß er ein Drogenproblem hat, meint aber auch unbefangen zur Mitarbeiterin des Jugendamtes, daß ihn momentan nur die Untersuchungshaft daran hindert, welche zu nehmen, ansonsten würde er sofort wieder anfangen. Etliche Hilfsangebote der Ämter wurden nicht angenommen, auf der anderen Seite wünscht er sich Beruf und Familie. Ob sich der Wunsch je erfüllen wird?

Wir schaffen es heute nicht zu einem Ende, sondern vertagen uns, weil noch Zeugen gehört werden müssen. Aber wie immer nach Jugendgerichtsverhandlungen bin ich ein wenig frustriert, weil ich das Gefühl habe, daß von diesen Jugendlichen so vielen geholfen werden könnten, wenn man nur früh genug eingreifen würde und wenn es mehr Möglichkeiten für sie geben würde. Und ich stelle an solchen Tagen fest, wie unglaublich privilegiert meine Kinder doch aufwachsen können, nicht nur materiell, sondern auch vor allem mit einer Familie, in der man füreinander da ist.

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