Was für ein blöder Spruch! Und was für ein wahrer! Wie immer hält auch in Ausnahmesituationen das Leben einfach nicht an, sondern die Erde dreht sich einfach weiter. Und ich drehe mich mit. Vielleicht ist es auch gut so, denn letztlich ist es das, was mich im Flow hält und dafür sorgt, daß ich aus meinen Löchern auch wieder herauskrabbele.
Heute ging nun vor allem die Jugendgerichtsverhandlung von vor ein paar Wochen weiter. Inzwischen weiß sogar schon die Mittlere, daß eine weiße Bluse Gerichtstermin bedeutet, ich trage die wohl zu selten im normalen Leben.
Ich bin wieder früh in der betreffenden Stadt und gönne mir noch vor dem Termin einen Latte macchiato in einem der zahlreichen neuen Cafés dort. Ich sitze draußen in der Sonne, es ist zwar noch etwas frisch, aber es gibt dort eine Decke, in die ich mich einmummeln kann. Herrlicher Tagesbeginn, das sollte man eigentlich immer so machen.
Nach mehreren Jahren Berufserfahrung fällt es mir inzwischen leicht, mich von der Privatperson in die offizielle Person zu verwandeln und mit strenger Miene auf meiner Seite des Gerichtssaals zu sitzen. Heute stehen zahlreiche Zeugen auf dem Programm. Wie fast immer bei Jugendgerichtsverhandlungen kommt die Vernehmung jugendlicher Zeugen einer Märchenstunde sehr nahe. Immerhin war heute zumindest nicht bei allen das Erinnerungsvermögen wie durch Zauberhand ausgelöscht, aber dafür haben wir eine Menge über die Beziehungen oder Nicht-Beziehungen der Kandidaten erfahren. Irgendwie läßt sich dann auch aus dem Ganzen eine einigermaße plausible Geschichte zusammenbasteln, woraufhin es der Angeklagte auf einmal vorzieht, ein Geständnis abzulegen. Das hätte er auch gerne schon beim letzten Mal tun können, dann hätten wir uns den heutigen Termin sparen können, so schön der Besuch vorher im Café auch war.
Also kann ich plädieren, und dann gibt es endlich eine Mittagspause, während sich das Gericht berät. Man merkt deutlich, daß der Vorsitzende Richter ein Mann ist, denn er verhandelt ohne Pause durch, während mein Magen schon deutlich knurrt. Ich beantrage übrigens eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Das kommt nicht so häufig vor, aber ich kann das trotzdem und dabei dem Angeklagten sogar in die Augen sehen, während ich ihm erzähle, daß ich unter anderen Umständen -wenn er nämlich ein Erwachsener wäre- mindestens das doppelte beantragt hätte.
Nach dem sehr eiligen und kärglichen Mittagessen gibt es das Urteil: 2 Jahre und 6 Monate, die Prognose für hinterher auch nicht gerade rosig, das hat sogar die Vertreterin vom Jugendamt erklärt, und die Damen sind normalerweise hoffnungslos optimistisch. Ich fahre noch kurz ins Büro, um die heutige Post zu erledigen, dann reicht es auch. Funktionieren tue ich jedenfalls, aber das hat wohl auch niemand anders erwartet ;-).
Ein neues Abenteuer
vor 7 Jahren
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